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Sie hat uns an ihren Privilegien teilhaben lassen. Ein Nachruf auf Birgit Rommelspacher

Von Sakine Subasi-Piltz für das Aktionsbündnis muslimischer Frauen

Der Tod der Psychologin und Pädagogin, Prof. Dr. Birgit Rommelspacher, hat uns sehr getroffen. Mit ihr ist eine Person von uns gegangen, die sich sowohl in ihrer wissenschaftlichen Arbeit als auch als Mensch für marginalisierte Menschen einsetzte und nicht müde wurde, unterschiedlichste Formen der Ausgrenzung innerhalb dieser Gesellschaft zu benennen und aktiv Widerstand gegen sie zu leisten. Wie wenigen anderen Wissenschaftlern gelang es ihr, die Schlüsse ihrer Analysen – mitunter gegen den gesellschaftlichen und beruflichen Druck – zu leben.

Neben ihrer Forschung zum Rechtsextremismus und dem von ihr geprägten Begriff Dominanzkultur war ihre Arbeit gegen den antimuslimischen Rassismus in Deutschland besonders bedeutsam für Muslim_innen in diesem Lande. Viele von uns begegneten Birgit Rommelspacher und vor allem ihren Texten als Studentinnen, die mit und ohne Kopftuch in deutsche Universitäten strebend auf das Versprechen hofften, dass ihnen und ihrer Freiheit nichts im Wege stehen würde und dennoch auf antimuslimischen Rassismus stießen.

Insbesondere die Kopftuchdebatte verwies uns auf die für uns vorgesehenen Plätze in dieser Gesellschaft. Im Niedriglohnsektor sind wir gerade noch willkommen, aber die Rolle der Akademikerin oder Lehrerin war für uns nicht vorgesehen. Während muslimische Frauen noch damit beschäftigt waren, die hier wirkenden gesellschaftlichen Prozesse zu verstehen und Strategien für den Umgang damit zu finden, legte Birgit Rommelspacher eine umfassende Analyse der zu beobachtenden Einschränkungen des Rechts auf freie Religionsausübung als Kontinuität innerhalb europäischer Gesellschaften vor.

Ein Schlüsseltext für das Verständnis der mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2003 erst richtig an Fahrt gewinnenden Kopftuchdebatte in Deutschland war das Buch „Anerkennung und Ausgrenzung“ (2002), in dem Birgit Rommelspacher die diskursiven Grundzüge der Debatte dargelegt hat. Damit schuf sie eine Grundlage, für den Kampf gegen die Ungerechtigkeiten der Debatten um das Kopftuch und andere Differenzmarker mit Worten. Wir waren und sind ihr unendlich dankbar dafür.

Viele von uns, die sich für eine Vertiefung der akademischen Befassung entschieden, lernten Birgit Rommelspacher als eine sich solidarisch erklärende Denkerin auch persönlich kennen, eine, die dem wissenschaftlichen Nachwuchs gern und oft das Wort überließ. Gleichzeitig scheute sie sich nicht davor, Kritik an Muslim_innen zu üben. Jeglichen gewalttätigen Islamismus als eine Form des Widerstands gegen antimuslimischen Rassismus lehnte sie ebenso klar und deutlich ab, wie den antimuslimischen Rassismus selbst.

Birgit Rommelspacher stand für eine Praxis der Anerkennung, die nicht einfach pauschal alles tolerierte, sondern kritisiert, wo Kritik angebracht scheint und Solidarität zeigt, wo Ungerechtigkeit am Werk ist. An erster Stelle steht in dieser Praxis der Anerkennung jedoch die Reflektion über die eigene Position und die Funktion von Pauschalurteilen und Stereotypen im Kampf um Privilegien und Ressourcen.

So hat Birgit Rommelspacher muslimische Frauen und viele andere Marginalisierte nicht nur durch ihre Texte unterstützt und sich in ihnen durch eine kritische und reflektierte Analyse solidarisch gezeigt, sondern auch indem sie uns den Zugang zu Räumen ermöglichte, die ihr aufgrund ihrer Privilegien offen standen. Sie hat uns in der schönsten Weise an ihren Privilegien teilhaben lassen und ist dadurch gleichzeitig zu einem Vorbild für uns geworden.

Aus dem muslimischen Aktivismus in Deutschland, insbesondere dem von muslimischen Frauen, sind die analytischen Grundlagen von Birgit Rommelspacher nicht wegzudenken. Doch auch darüber hinaus ist ihre Arbeit für ein engagiertes und friedliches Zusammenleben von unschätzbarem Wert. Wir sind bestürzt über ihren frühen Tod und hätten gern noch viel mehr von ihr gelesen und gelernt.

Vielen Dank, liebe Birgit Rommelspacher. Ruhen Sie in Frieden und möge Ihr Platz hell erleuchtet sein!

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