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Das Streben nach Frieden ist kein Zeichen von Schwäche

Die Terroranschläge von Paris haben uns erschüttert und bewogen, den Aufruf „Gesellschaftlicher Zusammenhalt – jetzt erst recht“ zu unterzeichnen.

Darin wird den Familien und Freunden der Opfer der Anschläge unser aller Beileid ausgesprochen und unsere Anteilnahme versichert. Zugleich wird daran erinnert, dass Terror nicht nur einzelne trifft, sondern auf die Zerstörung der Gesellschaft als Ganzes zielt: „Terroranschläge richten sich gegen den gesamtgesellschaftlichen Frieden und unterschiedslos gegen alle Staatsbürger. Ob sich darunter Angehörige einer bestimmten Volks-, Religions-, Weltanschauungszugehörigkeit befinden ist Terroristen gleichgültig. Das zeigen auch die Anschläge in Syrien, in Madrid, im Irak, in London, in Marokko, in der Türkei und in Beirut. […]. Die beste Antwort, mit der man den Absichten der Terroristen entgegentreten kann, ist es, Hass, Zwietracht und Angst nicht in unsere Herzen eindringen zu lassen.“

Angesichts der Kriegsrhetorik, die in den letzten Tagen die Oberhand zu gewinnen scheint, möchten wir ergänzend zum vorgenannten Aufruf deutlich sagen: Das Streben nach Frieden und Freiheit ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen von Stärke, denn es ist das Beibehalten der Werte, die uns durch Terroranschläge genommen werden sollen. Leider wird das in Zeiten, in denen Drohungen schwerer zu wiegen scheinen als Anteilnahme, viel zu schnell vergessen.

Die Rhetorik der Vergeltung, die insbesondere die politischen und medialen Diskurse in Frankreich prägt, hat praktische Auswirkungen auch für die Muslime in Deutschland, vor allem diejenigen, die als Muslime erkennbar sind. Wir wissen, dass zurzeit vor allem junge Frauen Opfer von Pöbeleien, Beleidigungen oder tätlichen Angriffen werden. Die Täter – in der Regel Männer – sind oft von Rachsucht und Hass verblendet und unfähig zu erkennen, welche Ironie darin liegt, den Mord an Unschuldigen mit Attacken gegen andere Unschuldige sühnen zu wollen. Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens berichten von Anfeindungen durch Mitschüler, wobei deutlich wird, dass hier innerfamiliäre Auffassungen über Muslime zum Ausdruck kommen.

Umso wichtiger ist es daher, unsere eigene Mahnung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht zu gefährden, ernstnehmen und uns nicht ebenfalls in die Spirale des Hasses hineinziehen zu lassen. Die Anschläge in Paris haben uns gezeigt, dass jeder ein Opfer von Gewalt werden kann. Darin sind wir alle gleich.

Aber ob wir Mittäter oder Unschuldige, Hassende oder Friedenprediger sind, darüber entscheiden wir selbst. Unsere Religion ist eine Religion des Friedens und der Gerechtigkeit und nichts, das uns vorgeworfen oder von anderen angetan wird, sollte uns von diesen Grundsätzen abweichen lassen.

Es gibt in Deutschland viele Möglichkeiten, einem Übergriff ohne Hass und Angst zu begegnen und ihn dennoch nicht zu ignorieren. Man kann darüber mit anderen sprechen, darüber schreiben, andere motivieren, gemeinsam dagegen vorzugehen, sich politischen oder gesellschaftlichen Gruppen anschließen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen. Ein einfacher und effektiver Weg ist, staatliche Unterstützung zu suchen, indem man eine Diskriminierung bei der Antidiskriminierungsstelle meldet (aktuelle Befragung unter: www.umfrage-diskriminierung.de) oder in schwerwiegenderen Fällen eine Strafanzeige stellt. Diese Möglichkeiten sollten wir nutzen, wenn wir als mündige Bürger agieren und die geltende Rechtsordnung erhalten wollen.

 

Gleichzeitig sollten wir uns davor hüten, die einseitige Sicht auf die Welt, die uns in diesen Tagen oft begegnet, selbst zu übernehmen. Genauso wenig, wie alle Muslime Terroristen sind, sind alle Deutschen Faschisten. Es ist nur eine kleine Minderheit, für die ein Terrorakt nichts weiter als ein willkommener Vorwand für das Ausleben des eigenen Rassismus‘ ist.

Dieser kleinen Gruppe sollte man mit aller durch die freiheitlich-demokratische Grundordnung legitimierten Härte begegnen. Politik und Medien sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein, damit diese Gruppen nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten, dass sie letztendlich den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen und dadurch den Zusammenhalt derer, die Frieden und Freiheit für alle Bürger dieses Staates wollen, zerstören.

Vielleicht halten es einige für schwach, an Vernunft statt an Vergeltung zu glauben, aber es ist mit Sicherheit der einzige Weg zu einem dauerhaften Frieden.

 

Wesseling, den 19. November 2015

 

Die Vorstandsfrauen des Aktionsbündnisses muslimischer Frauen in Deutschland.

 

 

hier als PDF verfügbar

 

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